Bidirektionales Laden: die 6 größten Fragen und Mythen - und was wirklich stimmt

04. November 2025

Geschätzte Lesezeit: 6 minutes

Bidirektionales Laden klingt in den Ohren mancher noch futuristisch und revolutionär: Elektroautos, die nicht nur Strom aufnehmen, sondern diesen bei Bedarf auch wieder ins Netz zurück speisen. In Europa gibt es große Erwartungen an diese Technologie, die Energiewende voranzutreiben und das Stromnetz zu stabilisieren. Doch trotz aller Begeisterung kursieren auch viele Missverständnisse und Mythen rund um V2G.

AI generiertes Bild: E-Auto lädt, mit Strommasten im Hintergrund

Wir klären in diesem Blogbeitrag auf – mit wissenschaftlichen Fakten, praxisnahen Beispielen und Tipps, wie du die Chancen des bidirektionalen Ladens besser verstehen kannst.

1. Kann jedes E-Auto bidirektional laden – einfach Stecker einstecken?

Manche glauben, bei einem modernen E-Auto reiche eine neue Wallbox und schon gehe es los mit dem Hin- und Herspeichern von Strom. Momentan unterstützen jedoch nur bestimmte Modelle sowie spezielle Ladestationen diese Funktion. Denn um wieder ins Netz speisen zu können, muss der Gleichstrom der Batterie in Wechselstrom für das Netz umgewandelt werden. Das E-Auto wird also zum Stromspeicher. Das können noch nicht alle Elektroautos.

Die gute Nachricht: Es werden immer mehr - denn, dass diese Technologie die Zukunft ist, hat sich bereits in der Energie- und Automobilbranche herumgesprochen.

Ein Beispiel: Während der Nissan Leaf (mit CHAdeMO) technisch voraus ist, fehlt es bei beliebten Modellen wie dem VW ID. oder dem Renault Zoe oft noch an voller Unterstützung.​ Welche Automodelle bereits bidirektional laden können, liest du hier.

Wallboxen, die bidirektional laden können, sind aktuell folgende:

  • Zaptec Go Wallbox
  • Mobilize PowerBox Verso
  • E3/DC Edison V2H
  • Hersteller wie go-e, Entratek und weitere arbeiten bereits an Bidi-Modellen

2. Schadet bidirektionales Laden nicht der Batterie?

Klingt logisch: Je öfter be- und entladen wird, desto mehr Batterieverscheiß? Man muss aber differenzieren: Studien zeigen, dass eine intelligente Lade-Steuerung (Smart Charging) und Hersteller-Batteriegarantien den Einfluss auf die Lebensdauer gering halten – oft bleibt die Batterie länger fit als das Auto drumherum.​

Die Studie der RWTH Aachen zur Batteriealterung zeigt zum Beispiel: Nach 10 Jahren Nutzung liegt die zusätzliche Alterung durch V2G zwischen 1,7%p** und 5,8%p - bringt dem E-Autofahrenden aber einen Mehrwert von bis zu 600 € pro Jahr.

Weitere Inhalte der Studie findest du in unserem Whitepaper "Bidirektionales Laden und der Einfluss auf die Lebensdauer von E-Auto-Batterien".

** Prozentpunkte

3. Ich dachte, bidirektionales Laden sei in Europa verboten?

Viele denken, dass Rückspeisung von Strom aus dem Auto ins Netz (Vehicle-to-Grid) zumindest in Deutschland gesetzlich nicht erlaubt sei. In der Realität ist es allerdings grundsätzlich möglich, allerdings regulatorisch komplex. Auch in vielen anderen EU-Ländern fehlen klare Regeln zur Netzeinspeisung durch Fahrzeuge, z. B. zur Vergütung, Abrechnung oder Netzsicherheit.

Folgende Gesetze und Regelungen kommen beim bidirektionalen Laden aktuell in Deutschland zur Anwendung:

Gesetz/Regelung

Inhalt

Status 2024/2025

Energiewirtschaftsgesetz (§14a EnWG)

Regel für steuerbare Verbrauchseinrichtungen, Netzsteuerung, Netzentgeltminderung

Seit 01/2024 gültig

Stromsteuergesetz (§5a StromStG)

Steuerbefreiung bei Rückspeisung ins Heim-/Unternehmensnetz, Steuerpflicht Ladepunkt- betreiber

Seit 01/2025 in Kraft

EU Electricity Market Reform (AFIR)

Rahmengesetz für V2G in EU, Grundlage für nationale Umsetzung

In Umsetzung

EEG, EnUG

Keine eindeutige V2G-Regelung, offene Fragen zu Vergütung und Netzsicherheit

In Bearbeitung

Andere Use-Cases von bidirektionalem Laden wie Vehicle-to-Home (V2H) und Vehicle-to-Building (V2B) sind rechtlich einfacher möglich, weil sie das öffentliche Netz nicht betreffen. Länder wie Niederlande, Dänemark und UK gelten für V2G als Vorreiter mit Pilotprojekten und vereinfachten Regeln.

4. Hat bidirektionales Laden für Privathaushalte überhaupt einen Nutzen?

Dass E-Autos im Vergleich zu Verbrennern (auf mehrere Jahre gesehen) günstiger sind, haben wir schon vor Jahren gesehen (Knowledge Center von The Mobility House). Dass aber bidirektionales Laden nochmal einen deutlichen Preisvorteil bringt, das sehen wir jetzt.

Zweifel an der Rentabilität sind zwar häufig zu hören, halten aber der Realität nicht Stand: Die Einsparungen durch V2G sind real. In Wirklichkeit kann zum Beispiel V2H in Kombination mit PV-Anlagen Autarkiegrade von über 80 % ermöglichen. Bei hohen Strompreisen (z. B. >30 ct/kWh) lohnt sich das Eigenverbrauchsmanagement finanziell deutlich.

Und: Mit künftig erwarteten dynamischen Stromtarifen oder Netzdienstleistungsvergütungen wird es noch attraktiver. Insgesamt hängt der Nutzen stark von Fahrprofil, Hauslast und Tarifstruktur ab. Wie erste kommerzielle Anwendungen zeigen, kann man, wenn man sei E-Auto im Schnitt 14 Stunden pro Tag ansteckt und sein Fahrzeug für bidirektionales Laden zur Verfügung stellt, die Ladekosten auf 0€ reduzieren.
> Lies die Pressemeldung zu unserem Produkt in Frankreich

5. Macht bidirektionales Laden das Stromnetz unsicher?

Das Gegenteil ist der Fall! Mit der richtigen Steuerung können E-Autos das Netz sogar stabilisieren, Stromspitzen glätten und erneuerbare Energien besser nutzen. Forschung und Praxis zeigen, dass große E-Flotten viele Aufgaben übernehmen, die bisher konventionellen Kraftwerken vorbehalten waren.​
Beispiel: Tagelang bewölkt – hunderte vernetzte E-Autos springen als „virtuelles Kraftwerk“ ein und helfen, trotz Flaute Versorgungslücken zu schließen. Dass das funktioniert, haben wir schon 2028 bewiesen, als erstmals ein Nissan Leaf in einer V2G-Anwendung nach den Richtlinien der Übertragungsnetzbetreiber wie ein Großkraftwerk präqualifiziert und das Elektroauto für die Primärregelleistung (PRL) zugelassen wurde.

Je größer die Flotte, desto höher die Entlastung fürs Netz - und desto weniger Kosten für den Netzausbau.

Mehr lesen im Blogbeitrag: Welche Autos können V2G?

6. Ist meine Hausinstallation dafür geeignet?

Nicht jede Hausinstallation ist automatisch für V2G (Vehicle-to-Grid) geeignet. Für die Integration einer bidirektionalen Wallbox und die Rückspeisung von Strom ins öffentliche Netz müssen folgende technischen Voraussetzungen gegeben sein:

  • Ein dreiphasiger Hausanschluss mit mindestens 11 kW Leistung ist erforderlich, um die nötigen Stromflüsse sicher zu ermöglichen.​
  • Das häusliche Stromnetz muss geprüft werden: Besonders bei älteren Gebäuden sollte eine Elektrofachkraft Leitungen, Sicherungen und Schutzsysteme kontrollieren und ggf. anpassen, um Überlastung und Sicherheitsrisiken zu vermeiden.​
  • Die Installation einer bidirektionalen Wallbox und aller begleitenden Komponenten (inklusive Smart Meter und HEMS – Home Energy Management System) muss durch einen zertifizierten Elektrofachbetrieb erfolgen
  • Eine intelligente Energiemanagement-Software oder ein System zur Steuerung und Optimierung der Energieflüsse (Eigenverbrauch, PV-Nutzung, Einspeisung) ist für effizientes V2G entscheidend.
  • Eine stabile Internetverbindung ist für die Kommunikation zwischen E-Fahrzeug, Wallbox, Smart Meter, Energie-Management und eventuell dem externen Stromnetz erforderlich.​

Abgesehen vom technischen Rahmen muss regulatorisch in Deutschland beachtet werden, dass die Installation dem Netzbetreiber gemeldet und von diesem genehmigt werden muss. Für die Abrechnung des Stroms ist ein Smart Meter nötig.

Mit Mobilize Power bidirektional Laden

Zusammen mit Renault und Mobilize ermöglichen wir das erste bidirektionale Ladeangebot für Endkund:innen. Dank des bidirektionalen Ladens wird die Batterie automatisch aufgeladen, wenn der Strom günstig ist.